22. + 23. Juni 2012 – Abreise

Am Freitag, es ist der 22. Juni 2012, soll meine Reise zu Ende gehen. Der Wecker schellt um kurz vor halb sechs, und Steffi, Maike und Beat bringen mich um 6:00 Uhr zum Flughafen. Da ich nicht genau weiß, ob es möglich ist, meinen Koffer direkt bis Düsseldorf durchzuchecken, beschließe ich, die Dame am Check-In-Schalter einfach zu fragen: „ Is it possible to send my luggage directly do Düsseldorf?“ Antwort, ganz freundlich: „rrr rrrr rrrr rr  rrr rrrrrrrrr rr!“ Ach so, ja! Hätt ich mir auch denken können. „Is it possible?“ Mir hätte ja ein einfaches „Yes“ oder „No“ völlig genügt, aber die Dame wiederholt den Satz vollständig, nimmt mir dabei den Pass aus der Hand und checkt mich ohne weitere Fragen komplett ein. Außerdem habe ich in Chicago mindestens 6 ½ Stunden Aufenthalt: Da setz ich mich doch einfach so lange ans Kofferband bis ich entweder meinen Koffer in Empfang genommen habe, oder bis ich sicher sein kann, dass er nicht mehr kommen wird.

 

Dann hält der Provinzflughafen Jackson Hole noch eine klitzekleine Überraschung für mich bereit: Einsteigen in das Flugzeug darf ich nur, wenn ich den Nacktscanner passiert habe. Schlimm, schlimm, was sich in Deutschland über das Ding lesen ließ, aber ich habe überlebt, und wenn’s dem Typen hinter dem Bildschirm irgendetwas gegeben haben sollte….?! So what? Hab ich ihm auf die Schnelle halt noch eine Freude gemacht – glauben kann ich es aber nicht! 

                         

 

Der Flug nach Chicago ist ereignislos, das einstündige Warten am Kofferband ebenso. Chicago möchte für einen Internetzugang Kohle sehen: Nicht ganz 10$ will ich mir aber heute gönnen, was den Zeitvertreib etwas kurzweiliger macht und mich die ersten neugierigen Fragen von zu Hause beantworten lässt. Das Chatten mit dem Lebensverschönerer lässt mich allerdings auch ungeduldig werden – jetzt könnte der Flieger langsam mal vorfahren! Die „Hessen“ nach Frankfurt geht vom gleichen Gate ab und hat zwei Stunden Verspätung, was mich Schlimmes ahnen lässt. Aber Gott-sei-Dank fährt die „Bergisch Gladbach“ (Ich will gar nicht so genau wissen, wer oder was für diesen Namen verantwortlich ist) pünktlich vor, und wir können auch zügig einsteigen. 

  Der Typ hinter mir in der Schlange möchte offensichtlich seiner Begleitung imponieren und erzählt ihr eine Geschichte nach der nächsten. Wäre nicht weiter schlimm, wenn nicht jedes dritte Wort „Wuppertal“ wäre – auf bergisch ausgesprochen wohlgemerkt. Ein ganz kleines bisschen bin ich genervt und ich stelle mir die Frage, wie sich dieses Wort für die Amis wohl anhören mag: Wupppertaaal. Wuppertal auf bergisch hat nämlich mindestens drei „P“ und vier „A“ und noch so einen seltsamen nasalen Nebenlaut beim „W“… Im Flieger sitzt er zu meiner Erleichterung weit weg.   

 

 

Nach einem weiteren ereignislosen Flug setzt die Maschine am Samstag, den 23. Juni 2012, pünktlich um 8:45 Uhr auf dem Düsseldorfer Flughafen auf. Ich bin wieder zu Hause! Kurzes Telegramm an den Lebensverschönerer: „ Gelandet. Jetzt muss nur noch der Koffer da sein.“ Antwort: „ Ich freu mich. Wollen wir es hoffen!“ Während ich am Kofferband sitze, suche ich im Rucki nach den Rechnungskopien meiner teuren Elektronikartikel, die ich so mit mir herumschleppe, damit ich, sollte ich in die Verdrückung kommen, den Zollbeamten gleich den Wind aus den Segeln nehmen kann. Man sieht ja im Fernsehen immer mal wieder, wie sie sich gerade den Reisenden aus Amerika zuwenden, deren Koffer ja immer voller iPads, Iphones und Playstations sind. Derweil rollt ein Koffer nach dem nächsten an mir vorbei: blaue, schwarze, bunte…. aber kein roter. Meine Erleichterung ist groß, als unter den schwarzen Gummivorhangbändern doch noch der ersehnte rote Koffer hervorkommt. Ich stehe auf, nehme ihn vom Band und: Es ist nicht meiner! Das Mädel, das neben mir steht, grinst mich entschuldigend an und nimmt mir den Koffer aus der Hand. „Sorry“, sagt sie und geht. Shit! Wenn mein Koffer jetzt seit Stunden seine Runden durch den Chicagoer Flughafen dreht, dann werden wir uns wohl nie wieder sehen. Kurzes Telegramm an den Lebensverschönerer: „Koffer nicht da….“ Antwort: „Ohoh!“ Gott-sei-Dank beschäftigt die Lufthansa direkt hinter den Kofferbändern mehrere Leute, die sich bereitwillig auf die Suche nach den verlorenen Koffern machen. Ich glaub zwar nicht, dass der Typ, den ich jetzt ansprechen will, meinen Koffer in den Weiten des Chicagoer Flughafens wiederfinden kann, aber einen Versuch ist es ja allemal wert. Er fragt mich, woher ich komme und möchte meine Kofferaufkleber sehen. Na, der ist doch am Koffer! Ach nee, vielleicht meint er das Ding, das sie immer auf die Bordkarte kleben?! Jo, genau das hat er gemeint. Gut zu wissen, denn ich hab nie gewusst, wofür die Dinger eigentlich sind. Der Typ flippert ein wenig auf seiner Tastatur herum und sagt wenige Minuten später zu mir: „Ja, Frau Martin, ihr Gepäck wurde leider in den falschen Flieger verladen. Es kommt über Frankfurt und wird so gegen 22:00 Uhr hier sein.“ Ich staune. „Ja“, will ich wissen, „und wie kommt so was?“ „Tja, das weiß man nie so ganz genau. Hatten sie was gefährliches im Koffer, dass der Zoll ihn herausgenommen haben könnte?“ „Weiß man beim Zoll immer so genau, was die als gefährlich einstufen?“ „Nein,“ antwortet er, „das weiß man wirklich nie so ganz genau. Aber wahrscheinlich ist es sowieso menschliches Versagen. Da hat einfach jemand nicht richtig hingesehen und ihn auf das falsche Band geworfen. Ein Mitarbeiter wird ihnen ihren Koffer heute Abend vorbeibringen. Einen schönen Tag wünschen ich Ihnen.“ Während des Gesprächs hat er mich die üblichen deutschen Formulare unterschreiben lassen und nun verlasse ich mit vollgepacktem Rucki, aber ohne Koffer den Sicherheitsbereich. Im Zollhäuschen: niemand. Sehr gut: Die hätten mir jetzt auch noch gefehlt! Draußen wartet der Lebensverschönerer auf mich, und ich freu mich ganz doll! Endlich wieder zu Hause, endlich einfach was sagen und jeder versteht mich – zumindest meistens. Auf die Geschichte mit dem Koffer reagiert der Lebensverschönerer logischerweise amüsiert: „Hättest du mal nicht so viel über den Koffer nachgedacht!“ Siiichaaa!!

 

Zu Hause erwartet mich ein anständiges deutsches Frühstück mit richtigem Brot und serienmäßigem Kaffee. Mitbringsel lassen sich nicht verteilen, denn die treiben sich ja noch in Frankfurt rum.

 

Nachmittags gönn’ ich mir ein Schläfchen, um dem unvermeidbaren Jetlag langsam entgegen zu treten. In meinem Kopf jagen sich die schönen Bilder, und langsam schleicht sich wieder eine leise Melodie dazu mit nur einer Textzeile: „Heute ist nicht alle Tage. Ich komm’ wieder – Keine Frage!“