19. Juni 2012 – Sechster Tag

Am Dienstag, den 19.06.2012, soll der Tag um 6:30 Uhr beginnen. Da Gabriele noch mit ihren Damen in Speyer beschäftigt ist, bittet sie mich, schon mal für Kaffee zu sorgen. Mit noch halb geschlossenen Augen stehe ich also am Frühstücks-Buffet, nehme mir zwei Plastikbecher und drücke auf den silbernen Hebel der großen Thermoskanne. Shit! Nicht aufgepasst: Tee erwischt! Ich nehme den zweiten Becher und drücke den Hebel der Kanne herunter, die direkt nebendran steht: Auch Tee! Ich trete etwas vom Buffet zurück und suche alles mit den Augen ab: Ich kann keine weiteren Kannen finden. Nachdem ich wiederholt meinen Blick von rechts nach links und wieder zurück habe schweifen lassen, bleibt dieser an den Labeln auf den Thermoskannen hängen: Da steht aber was von Kaffee! „Golden blend“ und „decoffeeinated“ – wie jedes Mal in den Hotels. Ich nehme einen weiteren Becher und lasse noch einmal vorsichtig von der durchsichtigen Flüssigkeit in den Becher laufen, wobei ich immer noch überzeugt bin, dass das nur Tee sein kann, bis ich daran rieche: Mit viel Phantasie und meiner guten Nase kann ich feststellen, dass es sich hierbei doch um den ersehnten Kaffee handelt. Dieses Zeug teilt jedoch nur eine einzige Eigenschaft, die ein guter Kaffee besitzen sollte: Es ist heiß! Und dann fällt mir wieder ein, dass ich im „Beartooth Inn“ einen Typen beobachtet habe, als er heißes Wasser aus einer Dockingstation in genauso eine Kanne hat laufen lassen. Damals habe ich nicht weiter darüber nachgedacht; es war etwas, das vor meinen Augen geschah, als ich noch mit anderen Dingen (im Zweifel sogar Schlafen) beschäftigt war. Jetzt setzt sich vor meinem inneren Auge ganz langsam das Puzzle zusammen: Die setzen einem hier doch tatsächlich löslichen Kaffee vor! Bäh! Da mir die sprachlichen Möglichkeiten fehlen, den Hotelier mal ordentlich auf den Pott zu setzen, bastle ich zwei „Kaffee“ zusammen und gehe wieder zu Gabriele aufs Zimmer. „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir das trinken möchten, was die uns hier als Kaffee verkaufen wollen.“ sage ich und stelle Gabriele das mit Milch angedickte verfärbte heiße Wasser hin. Sie lacht sich halb schlapp, als ich ihr erzähle, wie es mir gerade ergangen ist. Wir nippen beide einmal an dem Zeug und lassen es dann stehen ….

 

Kurze Zeit später sind die Koffer wieder gepackt und das Zimmer geräumt, und wir treffen uns mit den anderen im Frühstücksraum. Die kurze Lagebesprechung mit langen Gesichtern über ekelhaft süßem Gebäck ist demnach auch relativ schnell beendet. Das Hotel gleich gegenüber unserem hat lustige Holzfiguren auf den Dächern der einzelnen Appartements und einige sehr schöne Plastiken auf der Anlage stehen, die wir erst noch fotografieren bevor wir losfahren. Doch schon an der nächsten Tankstelle folgt die erste Unterbrechung. Als Gabriele bezahlen geht, steht sie Minuten später wieder in der Tür und winkt uns alle herein: „Die haben hier eine Kaffeebar!“ Ich setze noch schnell das Auto an die Seite, dann wird gerannt! Auf der Bar steht schon eine schöne heiße Tasse Kaffee für mich. FILTERKAFFEE! Sogar schon mit Milch und Zucker – als erstes verbrenne ich mir die Zunge, aber DAS IST KAFFEE!!! Wuuuhaaaa!!! Meine Lebensgeister erwachen wieder!

 

Gegen 9:30 Uhr sind wir wieder im Park angekommen und stellen uns als erstes in einen Stau. Dass die Grand Loop Road nur in jede Richtung einspurig ist, hat den Vorteil, dass die Natur geschont wird, weil es nur recht wenig verdichtete Fläche gibt, aber auch den Nachteil, dass sich sofort ein großer Stau bildet, sobald jemand mitten auf der Straße anhält, weil er wilde Tiere gesichtet hat. Diese Erfahrung werden wir in den nächsten 1 ½ Tagen noch öfter machen – bzw. für die Bildung eines solchen Staus selbst verantwortlich sein. Bald aber freuen wir uns über eine Büffelherde, halten an einem gut besuchten Parkplatz, der uns auf einen reißenden Fluss hinabsehen lässt, und steuern auf unser heutiges Hauptziel zu, den Old Faithful.

    Angekommen im Geysir Country halten wir an einer heißen Quelle und können die schönen Farbspiele bewundern und fotografieren, die entstehen, wenn dieses heiße Wasser all die Algen, Bakterien und Kalke aus den Tiefen nach oben spült und diese sich dort in Verbindung mit Sauerstoff absetzen.      Wir verlassen sogar die vorgeschriebenen Wege und machen Faxen für ein paar nette Fotos bis wir von einer Rangerin zurück gepfiffen werden. Wir kommen an einem Gebiet vorbei, das an vielen verschiedenen Stellen dampft, und biegen von der Hauptstraße ab, um einen kleineren Seitenweg zu befahren. Gabriele hält direkt an einem kleinen Hügel, dessen Kalkablagerungen sehr interessant aussehen, und außerdem macht sich das Ding mit Weitwinkel in Verbindung mit den Häufchen-Wolken ganz gut.    Ein paar Fotos von links, ein paar von rechts, mal mit mehr Himmel, mal mit weniger – das Hügelchen wird einigermaßen ausführlich abgelichtet, bis Gabriele uns zum Weiterfahren ruft. Doch kaum dass alle Türen geschlossen sind, speit das Hügelchen Gift und Galle. Das Hügelchen ist ein ausgewachsener Geysir, um genau zu sein: der Castle Geysir. Und dafür, dass er in ruhendem Zustand eher unspektakulär wirkte, hat er jetzt ganz schön Ausdauer und Kraft. Es versteht sich vermutlich von alleine, dass wir erst weiterfahren können, als sich das Hügelchen wieder beruhigt hat?!

 

Es ist kurz nach 11:00 Uhr, als wir auf den Parkplatz des Old Faithful Hotels fahren. Hier haben wir etwas Zeit bis es Mittagessen geben soll. Ich nehme mir die Zeit, kurz mit dem Lebensverschönerer zu telefonieren, und erkunde ein wenig die Landschaft um das Hotel und Old Faithful herum. 

  Wieder im Hotel angekommen staune ich nicht schlecht: Das Ding besteht tatsächlich, nicht nur von außen verkleidet, aus Holz. Innen gibt es offene Etagenflure, die die Sicht auf die gesamte Statik freigeben. Leider sind die Etagen nur sehr spärlich beleuchtet, was das Fotografieren zu einer Herausforderung werden lässt – dem Flair tut es allerdings mehr als gut.     Auf der Suche nach geeigneten Motiven finde ich mich irgendwann auf der Hotelterrasse wieder, die voll von Menschen ist, die alle in dieselbe Richtung sehen. Kurzer Kontrollblick und, ja genau: Sie sehen alle zum Geysir. Da die Holzbänke um den Geysir herum auch voll besetzt bis zur Halskrause sind, ist mit einem baldigen Ausbruch zu rechnen. Suche ich mir also einen Platz, der mir einen guten Ausschnitt bietet. Und wenige Minuten später tut er auch allen Anwesenden den Gefallen und zeigt einen schönen spritzigen und heißen Ausbruch.      Damit wird es kurz nach 12:00 Uhr – Mittagessenszeit! In der Lobby kommen mir schon die anderen entgegen, um mir mitzuteilen, dass Gabriele einen Tisch reserviert hat und dass das Buffet eröffnet ist. Dem ausführlichen und wirklich sehr guten Mittagessen folgt noch eine kleine Fotosession im Holzhotel und auf der Auffahrt davor, wo sich noch allerlei schöne Motive finden lassen. Um 13:00 Uhr hat Old Faithful dann seinen nächsten Auftritt, den wir uns aus der Nähe gönnen.   Halleluja, das, was da das Wasser nach oben drückt, hat ganz schön Power, und aus dieser Perspektive wirkt die Fontäne auch gleich nochmal so hoch wie vor einer Stunde von der Terrasse aus.      Wie im Text zuvor ja schon erzählt ist der Geysir bei den Touristen ausgesprochen beliebt, was geschäftstüchtige Menschen auszunutzen wissen: Es gibt gleich zwei Giftshops! Ich will hier nicht lange drum herum reden: Wir krempeln beide ausführlich um! 

 

Um 14:00 Uhr schauen wir in die Tiefen der Kepler Cascades, 

  wenig später sichten wir eine kleine Gruppe von Büffeln in einem Wäldchen. Aufgefallen sind sie uns nur, weil andere Touristen am Straßenrand gehalten haben. Die Bäume verstellen uns aber einen guten Blick, weshalb wir bald weiterfahren. Vom etwas höher gelegenen Geysir Country fahren wir wieder über die gewundene Straße hinunter zum See. Dabei gibt es auch immer mal wieder offene Stellen im Wald, die einen weiten Blick über den See zulassen, von dem ich völlig fasziniert bin. Da ich seit heute früh die Macht über Gaspedal und Lenkrad habe, nehme ich mir die Freiheit, dort anzuhalten, obwohl wir den Blick ja schon gestern auf die Karten gebannt haben. Am See angekommen folgen wir den Schildern zum West Thump Geysir Basin. Während einige aus der Truppe beschließen, ab sofort nur noch für Tiere zu halten, die sie noch nicht fotografiert haben, machen die anderen sich auf den hölzernen Rundweg. Wir bekommen abermals wunderschöne und ausgesprochen interessante Farbspiele in der gesamten gelb-orangen Palette zu sehen, können die Algen bestaunen, die dieser ungesunden Umgebung trotzen, und schießen Foto um Foto. Eines schöner als das andere. Wir fotografieren Detailausschnitte der Ablagerungen, bei denen man auf den ersten Blick gar nicht weiß, um was es sich bei dem Abgebildeten handelt, oder alle Basins in einem, oder sogar mit See im Hintergrund. Eine kleine Paddelschule auf dem See bringt dann noch nette Farbtupfer ins Bild.       

 

Viel zu schnell geht die Zeit vorbei. 

    Aber es ist schon spät genug, sich auf die Suche nach unserem heutigen Hotel zu machen, denn dort wollen wir früher einchecken als bei dem gestrigen. Die Losung lautet: „Angehalten wird nur noch für eine galoppierende Büffelherde.“ Jawoll, wird gemacht. Die einzigen nach vorne gerichteten Augen sind meine. Gabriele hat sich nach hinten zu den anderen gewendet – es wird geschwatzt. Wir fahren in den Roosevelt Country und kommen gerade eine abschüssige Straße hinunter gefahren, als das Ende des Waldes den Blick auf ein weites Tal freigibt. Vor uns schleichen einige Touris herum, die nach Tieren Ausschau halten, was auch mir die Möglichkeit bietet, meinen Blick schweifen zu lassen. Auweia! „Büffelherde auf 1:00 Uhr! Korrigiere: Galoppierende Büffelherde auf 1:00 Uhr!“ Schlagartig ist es still im Auto und Gabriele fährt herum. „Na was? Hinterher!“ Ich setze den Blinker und verwandele mich ab sofort in Lady Bleifuß. Verkehrsregeln mag es geben – gelten aber jetzt nicht mehr für mich. Es wird überholt, was sich mir in den Weg stellt.    An der Roosevelt Lodge biege ich nach rechts ab – wir haben die Herde fast erreicht. Sie kommen von links aus einer riesigen Grasebene heraus und springen gerade in dem Moment, als ich abbiege, auf die Straße und galoppieren auf eine zweispurige Brücke zu. Zwischen der Brücke und mir steht eine Reihe Autos – shit, so viele! Die jetzt alle auf einmal überholen?! „Was tust du?“ „Da stehen Autos? Wo soll ich hin?“ „Die andere Straßenseite ist doch frei?!“ Jou, die andere Straßenseite ist frei – die Autoschlange aber in den letzten Augenblicken nicht kürzer geworden… Ach, scheiß drauf: Blinker gesetzt und losgestocht. Wir kommen nur ein paar Meter hinter dem letzten Tier an der Brücke an; kein anderer Autofahrer hat bis jetzt den Mut gehabt, sein Auto wieder in Gang zu setzen. Ich bleibe also auf der linken Spur und folge den Tieren, Gabriele hängt aus dem Fenster und fotografiert. Ich kann langsamer werden, denn wir sind nah genug an der Herde dran, und so schnell sind sie jetzt gar nicht mehr. Gabriele öffnet die Tür und steht jetzt auf dem Seitenschweller – ich hab ein Déjà-vu… Das Bild hatten wir doch schon mal?! Auf der rechten Seite überholt uns ein Mittelklassewagen und schließt nur wenige Zentimeter auf das letzte Tier, ein Kalb, auf. „Hey!! Don’t hurt them! Hey! Heeeeeyyyyy!!!! Don’t hurt THEM!“ brüllt Gabriele dem Auto aus vollem Halse hinterher. Eigentlich ganz schön frech: Im Grunde haben wir auch nichts anderes gemacht als die Angebrüllten, aber sie reagieren und lassen sich mit betretenen Gesichtern zurückfallen. Am Ende der Brücke angekommen schlagen sich die Büffel seitlich in die Büsche, einen steilen Hang hinauf. Manchen Tieren hängen die Zungen aus den Hälsen. Gabriele springt vom Trittbrett herunter und fotografiert ihnen hinterher. Meine Versuche, mit einer Hand wild herumzielend auch annehmbare Fotos zu bekommen, scheitern kläglich. Sie reichen maximal als Beweismittel. Als kein Tier mehr zu sehen ist, steht Gabriele auf der Straße und sieht sich ihre Fotos an. „Äähh…, was machst du da?“ „Sind geile Fotos geworden.“ „Ja klar. Kannst du auch hier drin ansehen, dann können wir hinterher.“ „Ach, die sind längst weg.“ „Steig ein.“ Keine Reaktion. „Steig ein! Die Straße macht da vorne eine Rechtskurve – vielleicht erwischen wir sie dann wieder von vorne.“ „Bestimmt niii“ „Steig ein!!“ Sie sieht mich irritiert an „STEIG EIN! Jetzt!“ Sie sitzt noch nicht ganz, und die Tür ist auch noch einen Spalt geöffnet, als ich schon wieder auf dem Gaspedal stehe. Wie erwartet beschreibt die Straße einen weiten Rechtsbogen. Oben angekommen zeigt der kurze Blick den Hang hinunter, dass ich Recht hatte: Da kommt die ganze Herde, jetzt deutlich langsamer, durch die Bäume geschnauft. Gabriele verlässt abermals das Auto um zu fotografieren, steigt aber willig wieder ein, als alle Tiere die Straße gequert haben und ich sie mit einem fröhlichen „Aufsitzen!“ dazu aufgefordert habe. Im hinteren Teil des Autos ist außer atemloser Stille nur Kameraklicken zu hören. „Mann, da hast du ja wirklich recht behalten. Das sind garantiert super Fotos geworden.“ „Jahaaa…, und wer hat’s gewusst? Jetzt dürft ihr für einen kleinen Moment mal hübsch dankbar sein!“ sage ich breit grinsend. Sind auch alle, wenn auch etwas geschockt, weil keiner mit auf Island war! Wir folgen der Herde weiter. Sie hält sich immer entlang der Straße in direkter Sicht- und Brennweitenweite, hat jetzt aber das Tempo deutlich verringert.      Als sie an einer kleinen Wasserstelle halt macht, parke ich das Auto am Straßenrand und habe jetzt auch endlich die Möglichkeit, einige brauchbare Fotos zu machen.    Es ist ein schönes Bild, wie die Tiere da so am und im Wasser stehen und saufen. Tritt aber ein weiteres heran, lassen die entstehenden Ringe ein noch schöneres Bild entstehen. Ein Stückchen weiter steht eine riesige Fichte, die sich malerisch ins Bild einfügt. Dahinter jedoch wird das Land flacher, und die Herde zieht sich von der Straße zurück.    „So, jetzt müssen wir aber unser Hotel suchen.“ „Ach,“ sage ich „ich möchte schon noch wissen, was hinter der nächsten Kurve ist.“ „OK, die nächste Kurve machen wir noch.“ Hinter der nächsten Kurve ist urplötzliche eine Landschaft, wie es sie auch in Schottland oder Irland geben könnte.    Unfassbar. Außerdem Büffel auf beiden Straßenseiten. Ich halte an, Gabriele steigt aus. „Was ist? Kommst du nicht mit?“ Es gibt Dinge, die lässt man sich einfach nicht zweimal sagen. Mit Kamera verlasse ich das Auto, bin aber auf der Hut, da sich um uns herum jede Menge dieser gewaltigen Tiere befinden. Vorsichtig und langsam gehe ich direkt am Auto weiter nach hinten. Meine ganze Konzentration liegt jetzt auf den Tieren auf der anderen Straßenseite. Obwohl ich schon einige Bilder habe, bin ich noch immer nicht ganz zufrieden mit dem Winkel des Lichts zu den Büffeln; es treibt mich voran. Ein leises Geräusch aus Richtung des Autos lässt mich aufsehen: Da, wo das Auto stehen müsste, steht ein Büffel mit riesigem Kopf und sieht mich an – am Auto bin ich schon zwei bis drei Schritte vorbei gegangen! Schreck lass nach!    Ein riesiger Satz bringt mich wieder in den Schutz des Wagens, dem Ungeheuer gerade nochmal so entkommen. Der Büffel, jetzt nicht mehr von so einem depperten Menschen aufgehalten, quert weiter die Straße. Im Vorbeigehen dreht er den Kopf und sieht mich an als wolle er sagen: „Genau. Mach dich weg. Du hast hier eh nichts verloren.“ Ich ziehe es vor, wieder in das Auto einzusteigen. Beim kurzen Check der Bilder bin ich etwas verwundert: Was haben die Büffel für komische Nupsis auf dem Rücken? Stark herangezoomt erkenne ich auf den Rücken der Tiere kleine Vögel, vielleicht Spatzen oder so was, die im Fell der Büffel nach Parasiten suchen.    Eine Hand wäscht die andere auf tierische Art. Ein paar Meter weiter ist ein größerer Parkplatz zu erkennen, den ich ansteuere. Damit kann sich auch der Stau wieder auflösen, den wir angezettelt haben, und Gabriele wird das Stück schon laufen können. Als wir den Parkplatz erreichen, sehen wir am Rand einen Mann hinter einer riesigen festen Brennweite sitzen, die Kamera auf ein niedriges Stativ geschraubt. Wir nicken uns kurz zu, schenken uns ein schiefes Lächeln und ein kurzes „Hallo“ und schon sind wir Mädels mit Schnattern beschäftigt. Dem geneigten Zuhörer müssen bald an dieser Stelle zwei Dinge klar sein: 1. Wir sind Deutsche, und 2. die blonde Dame, die da die Straße herunter kommt, gehört zu uns. Aus dem Augenwinkel beobachte ich den Typen ein wenig und versuche heraus zu bekommen, mit was der da so fotografiert, aber ich bin in diesen finanziellen Klassen nicht sicher genug zu Hause, als dass mir ein kurzer Blick genügen würde. Und dann kommt auch Gabriele endlich am Parkplatz an, erkennt die Situation, setzt ihr strahlendes, gewinnendes Gabriele-Lächeln auf und sagt: „Oh! Hallo! A very nice place here. And a nice camera. Do you expect the buffalos come here?“ Da ich ja einiges ganz gut verstehen kann, was auf Englisch gesprochen wird, erwarte ich gespannt die Antwort. Der Typ aber dreht sich zu mir um, sieht mich an und fragt irritiert: „Was hat sie gesagt???“ Ich könnt mich ausschütten vor Lachen! Mit der Antwort hatte ich jetzt allerdings nicht gerechnet! Auch die anderen um mich herum amüsieren sich. Gabriele ist von der Frage komplett unbeeindruckt und führt ab da die Konversation einfach auf Deutsch weiter. Immer wieder schön zu erleben! Es wird ein wenig Smalltalk betrieben, er erzählt von seinen bisherigen Erfolgen – wir sind beeindruckt; bis wir weiter müssen. Eine Kurve machen wir noch! Dort steht eine riesige Herde auf der rechten Straßenseite, malerisch verteilt in einem leicht ansteigenden schönen, grünen Tal, das von Wald begrenzt ist – außerdem wird das Licht immer schöner. Ein paar wenige Tiere stehen aber auch wieder direkt an der Straße. Einer mit einem besonders dicken Kopf, der Gabrieles Wunsch erweckt, einen solch dicken Kopf einmal formatfüllend auf die Karte zu bekommen, und nicht etwa als Ausschnitt, wie vielleicht bei irgendwelchen Anfängern. Sie steigt also aus und geht auf den Büffel zu – ok, mit der 300er Brennweite und dem dicken Kopf muss man jetzt nicht so nah ran, dass man ihn auch gleich hätte streicheln können, aber die vorgeschriebenen 50 feet sind allemal unterschritten. Dies bekommt sie auch sehr lautstark von einem Ranger mitgeteilt, der plötzlich wie aus dem Nichts mit dem Auto in unmittelbarer Nähe steht. Er brüllt irgendetwas von diesen 50 feet, und mir rutscht schon wieder das Herz in die Hose. Nicht so Gabriele! Die dreht sich um, gewinnendes Gabriele-Lächeln: „Oh, I’m German, I don’t know, how far are 50 feet.“ Er brüllt wieder. „I’m German! I don’t know!!“ sagt sie jetzt deutlich genervt, der Ranger sieht sie böse an. Das scheint sie zu überzeugen, vielleicht doch besser den Rückzug anzutreten und kommt zum Auto zurück. Das stellt ihn wiederum zufrieden, und er fährt weiter. Ich möchte nicht dabei sein, wenn dieses Lächeln irgendwann einmal seine Wirkung verfehlen sollte…..

 

Ich könnt’ noch ewig hinter die ein oder andere Kurve sehen, aber wir sind noch ziemlich weit entfernt von unserem Hotel. So langsam müssen wir uns mal auf den Weg machen. Ich wende den Wagen, und von der Rückbank kommen nur noch Kommentare wie: „Wow“, „Guck mal hier“, „Hast du das auch?“ „Jaja,“ sage ich, „wer hat’s gewusst???“ „Duuuu!!!“ schallt es nach vorn und wir lachen.

 

Als wir in Mammoth Hot Springs ankommen, bittet Gabriele Maike, die im anderen Auto sitzt, das Navi einzuschalten, damit wir zügig zu unserem Hotel kommen. Mammoth Hot Springs mit den Schwefelquellen und dem ausgedehnten Hotelkomplex ist ein langgezogenes Areal. Wir stehen am untersten Ende des Parkplatzes direkt an der Abzweigung zur North Entrance Road. Gabriele schickt Beat, den Fahrer, mit einer leichten Handbewegung die Straße hinunter und ignoriert Maikes Hinweis, das Navi wäre der Meinung, wir seien schon angekommen,, mit den Worten: „Nein, nein, das ist nicht richtig. Wir müssen aus dem Park heraus. Fahrt mal, dann kriegt sich das Navi schon ein.“ Wir fahren also los. Diesmal Beat voraus, ich hinterher, die gewundene Straße hinunter, vorbei am Campingplatz und an zwei Rangern, die irgendwas überprüfen, bis die Straße wieder gerade wird und sich die Möglichkeit bietet anzuhalten. Das tut Beat und Maike kommt zu uns ans Auto. „Das Navi ist der Meinung, wir entfernen uns wieder vom Ziel.“ „Das kann zwar nicht sein, aber vielleicht gibt es ja doch noch eine weitere Möglichkeit, den Park zu verlassen. Dann drehen wir halt nochmal um.“ Wir verfolgen die Straße zurück, am Parkplatz hält Beat wieder an und Maike kommt mitsamt Navi zu uns ans Auto: „You have reached your destination.“ behauptet dieses auch jetzt noch. Die Verwirrung ist groß und Gabriele beschließt, einfach im Hotel zu fragen. Da sich das Problem nicht sofort lösen lässt, finden wir, dass es wohl das beste ist, unser Abendessen im hoteleigenen Restaurant zu uns zu nehmen. SO vornehm haben wir während der ganzen Reise noch nicht gespeist. Es gibt leinene Tischdecken und Stoffservietten und, man höre und staune, sogar richtiges, echtes Brot. Erst eine ganze Weile später kommt Gabriele zu uns an den Tisch und erklärt uns die Misere: Das Buchungsprogramm hat ein Hotel in der Nähe der Grand Loop Road gesucht – und auch gefunden. Dabei hat es nicht bedacht, dass die Grand Loop Road eine Rundstraße durch den ganzen Park ist. Unser gebuchtes Hotel ist somit leider ganz im Süden, während wir uns ganz im Norden befinden. Das Navi war zudem offensichtlich mit den Nummernbezeichnungen der Straße überfordert. Unser gebuchtes Hotel aufzusuchen würde jetzt, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, eine Fahrt von ca. 85 Meilen bedeuten, mit wilden Tieren auf der serpentinenartigen Straße, die außerdem über eine Bergkette führt. Über eine deutsche Autobahn würde mich diese Strecke nicht weiter beeindrucken, aber so?! Was also tun? Gabriele hat auch nicht sonderlich viel Lust, jetzt noch die weite Strecke zu fahren, außerdem wären wir im Süden des Parks dann auch schon wieder auf dem Weg Richtung Jackson Hole, was nicht der Plan ist, weil wir noch einen weiteren halben Tag hier verbringen wollen. Gabriele macht sich wieder auf, das Problem zu lösen. Dass wir im Park weder Handy noch Internetempfang haben und das Hotel auch keine Telefone für Nicht-Gäste zur Verfügung stellt, macht die Sache nicht einfacher. Der bezahlte Internetzugang über das Hotel verweigert erst zusätzlich seinen Dienst. What a fuck! Irgendein Hotelangestellter hat dann aber doch Mitleid mit Gabriele und rückt eine Liste mit Hotels außerhalb des Parks, aber in erreichbarer Nähe, heraus. Außerdem darf sie telefonieren. Die Dame am anderen Ende der Leitung vom sechsten Hotel auf Gabrieles Liste ist offensichtlich eine Frau, die Probleme zu lösen weiß, wenn auch, sagen wir mal…. unkonventionell. Nach kurzer Fahrt – ihr wisst schon, die Serpentinenstraße hinunter, am Campingplatz vorbei – erreichen wir die Riverside Cottages. Wir werden von einem bellenden Hund empfangen, der sich alle Mühe gibt, gefährlich zu wirken, und von einer Dame, die uns zu einem Blockhaus führt. Sie wirkt eigentlich ganz fröhlich, aber auch ein wenig verlegen, dann öffnet sie die Tür: Dahinter ein einziger Raum mit einem Doppelbett und zwei Etagenbetten, einem Tisch, einer Küchenzeile und einer Tür zum Badezimmer…. OK, es sieht zumindest alles sauber und sehr gemütlich aus…

Wer einmal kurz durchzählt, kommt schnell auf sechs Betten und acht sehr müde Menschen. „Wenn sie noch zwei Isomatten hat, können wir auch auf dem Boden schlafen,“ schlägt Maike vor. BITTE??? Meint die das ernst? ICH kann mich am nächsten Morgen aber dann nicht mehr bewegen… Dazu gibt Gabriele dann aber schnell Entwarnung, denn es gibt noch eine kleine Wohneinheit mit zwei weiteren Betten. Alles klar. Gekauft! In der allergrößten Not hätte ich auch auf dem Boden geschlafen, aber so ist es besser. Als alle Koffer ausgeladen sind und ich unseren Schlafraum gefunden habe, schließe ich noch kurz die Karten an den Rechner. Leider kann ich ihm heute abend nicht allein die Verantwortung überlassen, da ich mehrere Karten verbraucht habe. Es ist schon weit nach 24:00 Uhr, als wir das Licht löschen. Ich habe es warm und weich, und satt bin ich auch. Erkenntnis des Tages: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

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